Dass es in den Gewässern um Gomera herum viele Delfine gibt, das wussten schon die Guanchen, die Ureinwohner der Insel. Wie der italienischer Entdecker Leonardo Torriani bereits 1590 in seiner „Beschreibung der Kanarischen Inseln“ berichtet, sangen die Ureinwohner Gomeras ein Lied über Delfine, „die sich vor Liebeslust verzehren“.
Dass es vor Gomera aber auch überdurchschnittlich viele verschiedene (und zum Teil sogar recht seltene) Wale gibt, das wissen wir erst, seit es hier systematische Tierbeobachtungen gibt. Seit 1985. Und beinahe jedes Jahr werden hier neue Arten entdeckt. So dauerte es beispielsweise zehn Jahre (von 1989 bis 1999) bevor wir hier zum ersten Mal Blauwale entdeckten. Wahrscheinlich waren das die ersten Exemplare dieser – durch menschliche Gier fast ausgerotteten – Spezies, die überhaupt in den Gewässern der Kanarischen Inseln gesichtet wurden.
Für alle, die sich noch einen natürlichen Sinn für die Faszination freilebender Meerestiere bewahrt haben, ist La Gomera ein Sehnsuchtsziel, wo Sie fast alle großen Meeressäuger jeden Tag (wenn Sie Glück haben natürlich) sehen können.
Wale sind Säugetiere, die vor vielen Millionen Jahren – aus Gründen, die niemand weiß – vom Land zurück ins Wasser gingen. Manche von ihnen sind riesig groß. Viel größer, als es zum Beispiel die Dinosaurier jemals waren. (Allein die Zunge eines Blauwals wiegt mehr als ein ausgewachsener Elefant!)
Zoologisch unterscheidet man Wale in zwei große Gruppen: Die Barten- und die Zahnwale. Auch die Familie der Delphiniden zählt zu den Zahnwalen. Insgesamt gibt es vor Gomera 20 verschiedene Arten von Meeressäugern zu beobachten.
Aber natürlich nicht – wie mancher meint – jeden Tag und auf Bestellung. Auch springen die Delfine vor Gomera durch keinen Ring, die Schwertwale lassen sich nicht streicheln, und man kann auch nicht – wie sich das neulich eine ältere Dame vorgestellt hatte – ein bisschen auf einem Wal reiten. Die Tiere, die da draußen auf dem Meer zuhause sind, sind keine Touristen-Attraktion. Sie sind weder dressiert, noch werden sie gefüttert. Es ist nicht einmal sicher, dass man bei einer Ausfahrt überhaupt ein Tier zu sehen bekommt. Wer vor Gomera auf Wal- oder Delfin-Fahrt geht, der sollte das möglichst ohne Erwartungshaltung tun.
„Wenn wir draußen eine Schule riesiger Pottwale gesehen haben,“ erzählt Capitano Claudio, „dann stehen am nächsten Morgen die Leute Schlange auf der Pier. Wollen alle Pottwale sehen. ‚Hättet ihr gestern kommen müssen,‘ sage ich dann. ‚Gestern wussten wir ja noch nicht, dass es da draußen Pottwale gibt.‘ Wir auch nicht … aber heute sind die wahrscheinlich schon längst in Afrika.“
Und weil niemand weiß, wann, wo und ob draußen gerade Wale oder Delfine zu sehen sind, muss man einfach rausfahren und das Meer so erleben, wie es sich an diesem Tage nun mal gerade zeigt. Andererseits kann man beruhigt sagen, dass sich in 80% aller Fälle Meerestiere draußen zeigen. Nicht immer Wale, nicht immer Delfine, nicht immer große Meeresschildkröten, nicht immer Haie, Marline oder andere Großfische – aber die eine oder andere oder manchmal gleich mehrere Arten zur gleichen Zeit bekommt man in aller Regel schon zu sehen.
Noch – sollte man hinzufügen, denn wer weiß, wie lange wir Menschen noch brauchen, bis auch der letzte Wal geschlachtet, in Treibnetzen verendet, für tierquälerische Delphinarien gefangen oder durch die Verunreinigung der Meere eingegangen ist. Zwar haben sich die meisten Nationen der Welt im Jahre 1982 endlich ein internationales Walfang-Verbot abgerungen, aber „Greenpeace“ stellte schon drei Jahre später fest, dass Japan, Norwegen und die UDSSR unter Missachtung des Moratoriums weiterhin Wale fingen. Auf den, zu Dänemark gehörenden Färöer-Inseln werden auch heute noch Jahr für Jahr Grindwale in großer Zahl abgeschlachtet. Auch Island setzt den Walfang unter dem Deckmantel der Wissenschaft fort. 14.000 Wale wurden inzwischen „zu wissenschaftlichen Forschungszwecken“ getötet. Japan hat in den letzten 6 Jahren 6.700 Wale umgebracht und macht zudem verstärkt Jagd auf Delfine.
Und unsere europäischen Nachbarn? Die fangen (außer Norwegen, Island und Dänemark) zwar keine Wale mehr, aber dafür rüsten sie ihre Fischereiflotten mit tückischen Treibnetzen aus, in deren Maschen die Meeressäuger regelrecht „ertrinken“.
Auf den Kanaren gibt es – Gott sei Dank – nichts dergleichen. Keinen Walfang, keine Netz-Fischerei, keine nennenswerte Wasserverschmutzung. Meeressäuger sind hier streng geschützt. Begegnungen mit ihnen gesetzlich geregelt.
Wale und Delfine haben uns möglicherweise mehr beizubringen als wir ihnen“, schreibt der amerikanische Forscher John C. Lilly. „Wale haben ihr Gehirn vor 30 Millionen Jahren entwickelt – wir Menschen erst vor 100.000 Jahren.“ Und in der Tat: Welchen Schaden haben die Wale in den 30 Millionen Jahren ihres „bewussten“ Daseins auf Erden angerichtet? Wenn es uns Menschen nicht gäbe, dann wären die Meere noch heute so, wie sie einmal waren – bevölkert von friedlichen Wesen, die in ökologischem Gleichgewicht neidlos miteinander lebten. Wäre da ein Lernansatz? Oder sind Wale doch nichts weiter als tumbe Tiere, die nur nicht schlau genug waren, sich rechtzeitig „die Erde untertan“ zu machen?
Und wie schlau sind wir Menschen? Welches Paradies haben wir uns auf Erden geschaffen – mit all unseren glorreichen Kriegen und Verwüstungen, mit unserem Fortschritt, unserer Technik? Wir jagen einer sogenannten „Verbesserung unseres Lebensstandards“ nach und zerstören dabei offenen Auges unsere gesamte Umwelt, in der und von der wir leben. Wir vermehren uns weiter wie die Wasserflöhe – wohl wissend, dass es bald schon vorbei sein wird mit unserer gottgleichen Spezies.
Und mögen uns Heilige und Propheten, Mathematiker und Philosophen schon vor 5.000 Jahren die Unsinnigkeit unseres Tuns logisch bewiesen haben – wir drehen weiter das Hamsterrad. Immer schneller, immer wahnwitziger, immer zerstörerischer. So schlau sind wir.
Die Wale – nachdem wir sie aus Geldgier und blindem Eigennutz so gut wie ausgerottet haben – erholen sich zurzeit ein wenig von der Krankheit Mensch. Zumindest was das Jagen und Töten anbetrifft. Aber schon entdecken unsere Wissenschaftler, dass Schiffs-Radar und Kanaltunnel, Hydrofoils und Satelliten-Kommunikation wahrscheinlich das empfindliche Ortungssystem der Wale (zer-) stören. Orientierungslos stranden sie an unseren Küsten, erdrückt vom eigenen Gewicht, nur noch auflagensteigernde Titelstorys für die Boulevardpresse.
Was wir von den Walen lernen können? Wahrscheinlich gar nichts. Zyniker sagen: „Wenn es eines Tages gar keine Wale mehr gibt, dann ist das zwar schade, aber daran geht die Welt nun auch nicht mehr unter.“
Außerhalb unseres kopfgesteuerten Realitätstunnels gibt es Phänomene zwischen Delfinen und Menschen, die nicht erklärbar, aber unzweifelhaft vorhanden sind. Vor allem sensible, spirituelle Menschen empfinden immer wieder Unbeschreibliches bei Begegnungen mit freilebenden Delfinen. Immer wieder hört man Berichte von den unterschiedlichsten Menschen, dass sie sich emotional total aufgewühlt, fröhlich, lachend oder auch todtraurig – auf jeden Fall aber „anders“ nach einer solchen Begegnung fühlen. Kein Wissenschaftler kann bis heute erklären, was da vorgeht – aber bekanntlich kann ja auch kein Wissenschaftler so alltägliche Dinge wie die Liebe zwischen zwei Menschen messen oder erklären.
Es steht zweifellos fest, dass es gerade zwischen Delfinen und Menschen – und zwar seit grauer Vorzeit – eine ganz besondere Art von Zuneigung gibt. Es gibt sogar intensive, langjährige Freundschaften zwischen einzelnen Delfinen und Menschen – freilebenden Delfinen wohlbemerkt, denn die geschundenen Kreaturen in Delfinarien und Amüsierparks sind schließlich nichts mehr als dressierte, gequälte, ihrem natürlichen Lebensraum gewaltsam entrissene Wesen, die sich mit Zirkuskunststückchen ihren erbärmlichen Lebensunterhalt verdienen müssen. Oft „unterhalten“ sie die Menschen nur, um nicht selbst vor Langeweile in ihrem unwürdigen Becken noch eher zu sterben als sie es ohnehin schon müssen. Nein. Freie, von keiner Menschenhand je eingefangene oder eingezäunte, gefütterte oder manipulierte Delfine, schließen Freundschaft mit Menschen. Warum? Niemand weiß das. Unzählig sind die Berichte von Schiffen, die von Delfinen vor Riffen oder anderen Gefahren gewarnt und so gerettet wurden. Bekannt sind viele Fälle aus allen Teilen der Welt, wo Ertrinkende von Delfinen an Land getragen wurden. Bewiesen ist, dass sich Delfine gegenüber schwangeren Frauen oder geistig behinderten Kindern total anders verhalten, als gegenüber anderen Menschen. Und so gut wie niemals wurde je ein Mensch von Delfinen angegriffen oder verletzt. Delfine haben eine besondere Intelligenz – eine, die wir Menschen bis heute nicht erfassen können, weil „Intelligenz“ ja auch ein rein menschlicher Begriff ist, der zunächst nur mit menschlichem Verstand, mit menschlichem „Denken“ zu tun hat. Was ist mit jenem anderen (auch menschlichen) Begriff, den wir (nicht nur in religiösem Sinne) „Seele“ nennen? Es gibt eindeutig Formen von Kommunikationsmöglichkeit zwischen Delfinen und Menschen – aber keine, die wir bis heute erfolgreich erforschen konnten. Experimente laufen in allen Teilen der Welt. Durchgeführt von den unterschiedlichsten Gruppen und Institutionen. Manchmal können wir fühlen, was uns die Delfine sagen wollen – begreifen können wir es (noch) nicht.
Vielleicht ist einer der Gründe dafür, dass sich Wale und Delfine gerade im Meer vor La Gomera so zahlreich tummeln, der, dass diese Tiere hier noch friedlich und ungestört leben können. Und der Inselbesucher hat so die (leider immer seltener werdende) Chance, diese wunderschönen Tiere hautnah in freier Wildbahn zu erleben.