Endlich wieder auf Gomera

Ausgabe: 91

Ausgabe: 91

Oh wie schön, wenn das ganze Elend dieser Welt – und der totale Wahnsinn dessen, was wir Zivilisation nennen – endlich mal wieder hinter dem Inselhorizont verschwunden sind. All die Krisen und Kriege, das Flüchtlingselend und die Nazis, die Skandale und der Terrorismus. Alles ganz weit weg.
Können wir uns jetzt von hier aus im Fernsehen anschauen. Wie früher im Kasperl-Theater: Der Polizist haut dem bösen Krokodil auf die Birne, und der Kasper klatscht sich dabei lachend auf die Schenkel.
Dagobert Blatter lässt sich die Dukaten auf die Glatze prasseln? So what? Ist das etwa unser Geld?
Pin und Pümpelchen haben uns rechtzeitig “Sky” gekrackt. Wenn wir Fußball gucken wollen, dann nur schwarz. Von uns kriegt die MAFIFA keine einzige Pesete.
Haubitzen-Uschi rasselt mit der Säbel*in, Seehofer wird zum König von Mallorca gekürt, die Grünen wollen den totalen Krieg, und Frauke Petry tritt um die deutsche Frauenmeisterschaft im Schwergewicht gegen Angela Merkel an.
Da können wir uns live und in Farbe endlich mal wieder von Herzen kaputtlachen. Wir haben ja damit nicht das Geringste zu tun. Möge die Bessere gewinnen. Uns ist das piepe. Wir sind ja gottlob wieder mal ganz weit weg. Kein eingeschriebener Brief erinnert an die Schulden beim Finanzamt, kein überzogenes Bankkonto raubt uns den Schlaf. Kein Wecker klingelt.
Es ist uns egal, ob die Nachbarin in der Kalten Heimat unsere Primeln pünktlich gießt und den Wellensittich füttert. Sonne scheint und Palme rauscht. Alles andere ist irgendwo ganz, ganz weit weg.
Keine frierenden Flüchtlinge zerreißen uns das Herz, keine aufmarschierenden Glatzen lassen um den Erhalt christlich-abendländischer Kultur bangen. Statt tosenden Straßenverkehrs pfeift nur der kanarische Stieglitz vor unserem Schlafzimmerfenster. Oder die klackernden Kiesel, die von den atlantischen Wellen an den schwarzen Lavastrand gespült werden. Das Leben kann so einfach sein.
Die Karriere im Hamsterrad geht uns voll am Dingens vorbei. Sollen sie sich mit ihren Aktenköfferchen ruhig wahlweise in die U-Bahn drängeln oder fluchend im Stau stehen. Es interessiert uns nicht die Bohne. Lasst doch die Emsigen und Fleißigen, die Tüchtigen und Gierigen der Eurolette nachjagen – hier scheint die Sonne. Alles andere ist ganz weit weg. Einfach nicht mehr da.
Für den einen nur eine Woche, für den anderen mehrere Monate, für den Dritten schließlich für den Rest seines Lebens. Der hat es dann endgültig geschafft.
Dem ist es sogar egal, ob das Angelusläuten des Kölner Doms demnächst durch den Muezzin ersetzt wird. Das ist ihm – genau wie uns – dann auch Hose wie Jacke.
Schnee schippen oder Scheiben kratzen, Stau auf der A7, Altersarmut oder Hartz IV – das ist uns so was von egal. Das kratzt uns kaum mehr als Lactoseunverträglichkeit, der Zuckergehalt von Bahlsen-Keksen oder ob Helene Fischer ein Kind kriegt (und deshalb vor lauter Freude atem- und pausenlos durch die Nacht galoppiert).
Hier scheint die Sonne, hier hüpft der Delfin, hier rauscht die Palme, und hoch über dem Garajonay zieht der alte Ashaman friedlich seine Kreise. Auf Gomera ist die Welt noch in Ordnung.
Und gemessen am Rest der Welt sind die Hirnrissigkeiten unserer insularen Politikerlein Peanuts. Allenfalls Kurzweil für den Chronisten. Sie zaubern uns ein Lächeln ins Gesicht.
Schließlich ist ja von denen auch noch keiner auf die glorreiche Idee gekommen, den Weltfrieden durch Bombenabwürfe in fremden Ländern herbeiführen zu wollen. Zum Glück wäre die Landepiste unseres Inselflughafens ja auch gar nicht lang genug, um von hier aus Fluggerät in den Nahen Osten zu starten. Alles hat eben auch seine Vorzüge.
Klimawandel? Steigender Meeresspiegel? Auf Gomera kein Thema. Darüber können sich die Seychellen oder die Malediven Sorgen machen. Unsere Insel ist 1.000 Meter hoch. Da kann sich der Meeresspiegel einen Wolf steigen bis er in Chipude angekommen ist.
Stürme und Wolkenbrüche hat es immer schon gegeben. Auch Trockenheiten und Waldbrände, vor denen sich unser Insel-Präsident stets rechtzeitig in Sicherheit zu bringen weiß.
Jedenfalls haben wir bis heute alles überlebt, und viel schlimmer kann es weder bei 1,5 noch bei 2 Grad Klimaerwärmung am Ende doch wohl nicht kommen (sofern sich die Regierenden überhaupt jemals darauf einigen können).
Wir jedenfalls backen uns ein Ei auf all die unfähigen Hohlköpfe, die diese Welt nun mal regieren. Wir sind ja – Gott sei es gedankt – auf Gomera. Ganz weit weg