Feuchtgebiete

Foto: Julian Köller

Um es gleich vorweg zu sagen: Ich bin kein großer Schwimmer. Eher einer von der wasserscheuen Sorte. Für mich ist Schwimmen Sport – und Sport ist nun mal Mord.
Keine Ahnung, was mich gebissen hat, an der berüchtigten Playa Ingles von Valle Gran Rey ein erfrischendes Bad zu nehmen. Wahrscheinlich war es der halbe Kasten Dorada in der knallenden Sonne, der mir so in die Birne gestiegen war, dass ich auf einmal total leichtsinnig geworden war. Und dann natürlich die Kumpels: „Los, du Weichei! Feige Sau! Wir gehen auch alle rein“.
Schließlich hatten sie mich weichgekocht. Ob sie mich in nüchternem Zustand je soweit gekriegt hätten, wage ich sehr zu bezweifeln. Aber nachdem mich der erste Brecher gepackt hatte war es eh zu spät, sich Gedanken über persönliche Fitness und irgendwelche lebenserhaltenden Maßnahmen zu machen. Da war ich nämlich voll drin in der Waschmaschine mit dem eingebauten Turbo-Schleudergang.
Wo oben oder unten, rechts oder links, Land oder Meer war, das wusste ich plötzlich überhaupt nicht mehr. Ich war zum Spielball der Wellen geworden. Wie ein vergammeltes Stück Totholz wirbelten die mich umher.
Nicht nur, dass ich bitteres, salziges Meerwasser schluckte bis ich die letzten fünf Doradas wieder rückwärts trank. Wie mit einem Hochdruckreiniger drückte mir der Atlantische Ozean seine ungenießbare Flüssigkeit auch noch in all die anderen Körperöffnungen, die sich ohne fremde Hilfsmittel partout nicht verschließen ließen. Freie Fahrt für zahlreiche Hektoliter ungezähmter, widerlich alkoholfreier Natur. Pfui Deibi!
Das aber war nicht das Schlimmste. Die Brecher hauten mich über den schwarzen, grobkantigen Lavasand auf dem Meeresgrund, dass mir Hören und Sehen verging. Kostenlose Sandstrahlung inklusive. Meine drei Brusthaare, auf die ich immer so stolz war, wurden ratz-fatz abrasiert. Gleich mit ein paar Quadratmetern vorwitziger Haut darunter. Blut strömte aus, und ich sah im Geiste schon den Weißen Hai, der im Blutrausch nach mir schnappte.
Aus den Augenwinkeln heraus erblickte ich schwarze Felsen, die dicht an meinem Kopf vorbeisausten, und ich hatte keinen Helm auf. Wie beim Rad fahren, da trug ich auch nie einen. Aber hier, an der Playa Ingles, da wäre er wirklich notwendig gewesen. Dachte ich, als sie mich auf der Bahre in die Ambulanz schoben.