Der Otto als solcher

der otto als solcherImmer wieder müssen wir feststellen, dass unsere Leser den Begriff „Otto“ total missverstehen. Nein! Ein „Otto“ ist keinesfalls die verunglimpfende Bezeichnung für einen „Pauschi“ – einen Pauschalreisenden, einen Menschen, den sie bei Tchibo oder ALDI für eine billige Urlaubsreise nach Gomera gekeilt haben. Sicherlich gibt es in dieser Gruppe von Mitmenschen reichlich „Ottos“, aber nun alle über einen Kamm zu scheren wäre unredlich und des Valle-Boten unwürdig. Es gibt auch unter diesen Inselbesuchern eine ganze Reihe sehr netter Menschen. Auch die oft fälschlich vorgenommene Gleichsetzung des Begriffs „Otto“ mit dem Begriff „Vollhorst“ ist nicht korrekt und bedarf dringend einer Erklärung. Während der Vollhorst nämlich ganz generell nicht alle Latten am Zaun bzw nicht alle Locken unter Mütze hat, darf man dem Otto keinesfalls den Hammer als ständigen Begleiter unterstellen.
Der Otto ist normal. Mehr noch: Er ist voll normal. Er ist so voll normal, dass er den „normalen“ Gomerianer mit Migrationshintergrund (also beispielsweise uns) für total bescheuert hält. So glaubt der Otto beispielsweise, dass ER die fünf zusätzlichen Euroletten für den armen Hartzer tatsächlich aus eigener Tasche zahlen muss, und dass er überhaupt die gesamte, arbeitsscheue Hartz-IV-Bande mit seinen, im Schweiße des Angesichts schwer verdienten Steuern ernährt. Er glaubt doch tatsächlich, dass er weniger Steuern zahlen müsse, wenn die Hartzer kein Bier und keine Zigarette mehr bekommen. Glaubt der echt, der Otto. Und mit diesem Glauben wird er dann automatisch zum „Vollhorst“, der so was ja auch glaubt. Bloß hat der Vollhorst eine Meise, während der Otto ja voll normal ist.
Wir bescheuerten Gomerianer denken zwar, dass die Steuern sowieso verblasen werden. Wenn nicht von der alleinerziehenden Mutter, dann eben von Herrn Ackermann, Herrn Möwenpick oder den 40.000 Beamten in Brüssel. Weg sind die Steuern so oder so. Und weniger werden sie auch nicht. Wetten? Beide – sowohl der Otto als auch der Vollhorst – glauben auch, dass das Fernsehprogramm auf einem großen Plasma-Flachbildschirm besser ist als auf einem kleinen Röhrenempfänger. Beide sind der Meinung, dass es sich bei der Atomkraft um eine “Brückentechnologie” handelt, dass es im Golf von Mexiko Bakterien gibt, die all das ausgelaufene Öl langsam aber sicher restlos auffressen, und dass es bei “Stuttgart 21” tatsächlich um eine Modernisierung des Bahnverkehrs zum Wohle des Bürgers geht.
Der Vollhorst glaubt das, weil er – wie gesagt – von Hause aus einen Hirnschaden hat; der Otto glaubt es, weil er das in der BILD-Zeitung gelesen, in der Tagesschau gesehen oder im Radio gehört hat. Im Gegensatz zum Vollhorst ist der Otto nämlich nicht blöde. Darum kauft er ja auch im Media-Markt ein. Er liebt den deutschen Schlager, der Otto. Und die deutsche Wurst aus der Rügenwalder Mühle. Er hofft, dass auch in diesem Jahr “Bayern München” wieder Fußballmeister wird, und dass er wegen des Rauchverbots nun endlich auch als Nichtraucher keinen Lungenkrebs mehr kriegt. Außerdem hat er seinen Dackel gut erzogen. Der macht auf Kommando “Platz” und gibt Pfötchen.
Wenn der Vollhorst nach Gomera kommt, dann hat er mit der Integration überhaupt keine Schwierigkeiten. Im Gegenteil: Er macht nämlich bald schon die Entdeckung, dass es hier eine ganze Reihe von Leuten gibt, die noch viel bekloppter sind als er selbst. Fühlt er sich gleich heimisch. Der Otto aber meckert rum. Dem ist alles zu teuer. Der kriegt schon auf der Fähre Heimweh nach seinem teutonischen Vaterland, wo ja alles (außer vielleicht im Spar-Markt) viel besser, billiger, pünktlicher, höflicher, sauberer und organisierter ist als hier. Dem Vollhorst, dem können wir hier ja vielleicht noch helfen. Dem Otto nicht mehr. Aber der liest ja wahrscheinlich sowieso keinen Valle-Boten. Oder höchstens mal aus Versehen.