Manchmal wünscht man sich ja, den einen oder anderen Schweinehund möge doch der Blitz beim Dingselen erschlagen. Leider klappt das in aller Regel nicht, und auf Gomera klappt das schon gar nicht, weil hier der Blitz nur alle hundert Jahre einmal einschlägt. Und wenn er das tut, dann allenfalls auf dem offenen Meer, wo bekanntlich “nicht jeder Lumpenhund, mit denen die Erde so reichlich gesegnet, dem ehrlichen Seemann dort draußen begegnet”. Früher, so erzählt man sich, gab es nur bei Gewitter in den kleinen Bergdörfern Gomeras elektrisches Licht. Das fanden die Leute damals ganz toll. Aber diese Zeiten sind ja nun vorbei. Gott sei Dank. Wenn es heute über dem Garajonay donnert, dann verkriechen sich zwar Hund und Katze nach wie vor hinter dem Fernseher, und die ängstliche Lebensabschnittsgefährtin zieht sich zitternd die Bettdecke über den Kopf, aber sonst passiert heute so gut wie nix. Einschlagen tut ja der Blitz – wie gesagt – weit weg über dem Meer. Meistens jedenfalls.
Wenn heutzutage über dem Meer die Blitze aufzucken, dann holt der erfahrene Insulaner vorsorglich gleich schon mal ein paar Kerzen aus der Schublade, denn er weiß ja aus Erfahrung: Erst kommt der Blitz, dann der Donner und dann unausweichlich der Stromausfall.
Irgendwie will sich selbst die moderne Inselelektrik partout nicht an Gewitter, Wind und Regen gewöhnen. Die ist nämlich – genau wie der Fremdenverkehr – auf 365 Tage strahlenden Sonnenschein im Jahr programmiert.
Zwar dauert ein Stromausfall heute meist nur noch wenige Stunden. Dann haben unsere mobilen Elektro-Fachleute (in der Landessprache oft auch “Chapuzeros” genannt) die gerissenen Leitungen zunächst einmal ratz-fatz wieder notdürftig zusammengedröselt, weil sie ja inzwischen genügend Übung darin haben. Aber nur das Inselgreenhorn fährt den abgestürzten Computer gleich wieder hoch, sobald das Licht wieder angeht. Der weise Altinsulaner wartet aus Erfahrung erst einmal ab, wie lange denn das Lämpchen wieder glüht. Meist ist der Strom nämlich mit dem übernächsten Blitz gleich wieder weg, und dann dauert das Zusammendröseln der Leitung etwa doppelt so lange wie beim ersten Mal.
Die Frühstückskneipen, sofern sie nicht längst einen kleinen Generator aus dem Schuppen holen können, kochen ihren Gästen den Café Solo auf dem Campingkocher, wenn sie nicht aus reiner Faulheit ihren Laden einfach “wegen Stromausfalls” ganz schließen und die Kunden in die Pampa jagen.
Die Verkäuferinnen in der Boutique hebeln die Registrierkasse mit dem kleinen Knopf an der Rückseite (sofern sie wissen, wie das geht) auf und holen den Taschenrechner raus.
Die genervte Hausfrau holt ihre Wäsche nass aus der Waschmaschine und hängt sie halb gewaschen und triefend auf die Leine. Lässt sie die nämlich in der Maschine stehen, dann fängt sie bereits bei kürzeren Stromausfällen an zu stinken. Bei längeren fault sie sogar.
Bankautomaten spucken keine Euroletten mehr aus und an der Tankstelle kann man seinen Mietwagen auch nicht – wie vereinbart – vor der Rückgabe volltanken. Da behält sich der Autovermieter dann gern eine stattliche Garantiesumme ein.
Den eingewanderten Altinsulaner regt das alles nicht mehr sonderlich auf. Er erinnert sich an Zeiten, in denen so ein Stromausfall ein ganzes Wochenende dauerte und er weder die Ergebnisse der Bundesliga, noch die Lottozahlen sehen konnte und statt der fünften Wiederholung der Schwarzwaldklinik im Kerzenschein mal wieder ein Buch lesen musste. Und zwar ein ganz schön dickes!
Wer keine Taschenlampe ständig bei sich trug, der konnte sich aussuchen, ob er den nächtlichen Heimweg aus dem Rotlichtbezirk von Vueltas tastend von Bananenstaude zu Bananenstaude riskieren sollte, oder ob er sich nicht lieber gleich zum Ausnüchtern aufs freie Feld legen sollte (was damals durchaus noch seine Reize hatte – vorausgesetzt man hatte die entsprechende Partnerin im Kerzenlicht der Cacatua angraben können).
Die Hippies in den Höhlen der Schweinebucht, die störte damals weder Gewitter noch Stromausfall. Die kannten ja auch weder Handy noch Internet. Die saßen – mit oder ohne Stromausfall – fröhlich um ihr Lagerfeuer und ließen den Joint kreisen, machten sich ihre Musik auf Trommel und Flöte, sangen zur Gitarre “Blowing in the Wind” und freuten sich über Mond, Blitz oder Sternenhimmel auf der schönsten Insel der Welt, auf der sie zum Nulltarif überwintern durften.
Die Touristen von heute aber gehen ihrer Reiseleiterin oder den Mädels im Büro ihrer Appartementvermietung bei jedem Gewitter ungeheuer auf die Eierstöcke, weil sie schließlich “Kanarische Inseln mit Sonnengarantie” gebucht hatten. Und bei einem anschließenden Stromausfall, bei dem ihnen eventuell sogar noch eine Kakerlake über den nackten Fuß läuft, sind sie so genervt, dass sie ihre Reisekosten zurück haben wollen und mit dem Anwalt drohen.